Warum ich Affinity Photo liebe, aber Photoshop (erstmal) behalte

Ein kleiner Hinweis zur Absicherung vorab, obwohl ich hier nur über meine Arbeit oder andere Dinge schreibe, die mich interessieren: In diesem Artikel werden Produktnamen verwendet und damit handelt es sich vermutlich – oder offensichtlich – um Werbung.

 

Photoshop von Adobe ist seit einer gefühlten Ewigkeit die Königin der Bildbearbeitung. Selbst außerhalb der Fotografie ist das Programm ein Begriff, und das zurecht: Schließlich ist das Programm ein mächtiges Werkzeug – von der einfachen Beauty-Retusche bis hin zu knallharter Manipulation von Fotos gibt es mit dem nötigen Know-How fast nichts, was nicht damit möglich wäre. 

 

In der Vergangenheit gab es viele Konkurrenzprodukte – oder zumindest solche, die es sein wollten –, aber keine wirklichen Herausforderungen. Dabei gibt es einiges, was Photoshop unattraktiv für manche macht: Das Abomodell, die teilweise Inkompatibilität mit anderen Programmen in der Creative Cloud (Hallo InDesign, ja, ich schaue Dich an!), plötzliche Programmfehler nach einem Update oder nicht intuitive Workflows (bspw. die Handhabung von Smartobjekten), um nur einige zu nennen.

 

Vor einigen Jahren eroberte mit Affinity Photo von der britischen Softwareschmiede Serif ein Player den Markt, der Photoshop ernsthaft in Bedrängnis bringen könnte. Die oben genannten Probleme existieren nicht erst seit gestern, aber offenbar ist die Entwicklerstruktur bei Adobe so stark differenziert, dass es bisher unmöglich erschien, die Probleme anständig zu lösen. Serif verspricht, das anders zu machen. 

Screenshot: Adobe Photoshop 2020

Screenshot: Affinity Photo 1.7.2


 

Affinity Photo kostet einmalig ca. 50 Euro (man kann es auch erstmal einige Tage ausgiebig testen) und sieht aus wie Photoshop, mit der Werkzeugleiste links und der Ebenenliste rechts. Auch die Ebenen nutzt Affinity Photo ähnlich wie Photoshop mit zwei bedeutsamen Unterschieden: Alle Einstellungsebenen sind von Anfang an als Masken angelegt, das heißt man muss nur mit einem schwarzen oder weißen Pinsel auf der Ebene malen und kann sich eine extra Maske sparen. Außerdem wurden die von Photoshop bekannten "Blend if"- Einstellungen (bei Affinity Photo als "Blend options") aufgebohrt und verfeinert. Es ist in Affinity Photo möglich, in Kurven ein- und auszublenden. Meines Wissens geht das in Photoshop nur linear.

 

Effekte wie Hochpassfilter, etc. lassen sich zudem als sogenannte Livefilter anlegen, was an sich nicht anders aussieht und funktioniert wie eine Einstellungsebene. Passé sind die Zeiten, in denen man vorher bewusst einen Smartfilter anlegen musste, um nachträglich die Filtereinstellungen zu verändern.

 

Neben Affinity Photo hat Serif noch Affinity Publisher (die Antwort auf InDesign) und Affinity Designer (die Antwort auf illustrator) entwickelt. Alle drei Programme greifen nahtlos ineinander über und sind interkompatibel, was das Leben schon sehr vereinfacht. Ich kann problemlos in Affinity Publisher eingebundene  Bilder in Affinity Photo bearbeiten, ohne ein Programm schließen zu müssen. Vorausgesetzt, ich habe die Programme auf meinem Rechner installiert.

 

Serif scheint stark in die Userbindung zu investieren: Sie haben gemeinsam mit professionellen und Amateurfotografinnen* ein Workbook zusammengestellt, in dem detailliert beschrieben wird, wie man bspw. Landschaftsfotografie und Retusche mithilfe ihrer Software angeht. Die Vorgehensweise unterscheidet sich minimal vom herkömmlichen Workflow. Außerdem stehen auf ihrer Homepage viele grundlegende Videotutorials bereit und es gibt ein sehr aktives Benutzerforum. Angesichts der Bugfixes und Funktionen, die in den vergangenen Versionen schnell eingebaut wurden, kann man davon ausgehen, dass Serif aufmerksam zuhört und auf die Wünsche der User eingeht.

 

Auch wenn ich selber Affinity Photo schon für einige Retuschearbeiten einsetze, steht Serif mit Affinity Photo noch am Anfang der Reise und kann die langjährige Erfahrung von Photoshop als professionelles Standardprogramm nicht so ohne weiteres streitig machen. Das hat für mich persönlich zwei zentrale Gründe: 

 

1. Farbmanagement: Während Softproof sehr elegant über eine extra Ebene gelöst wurde, lässt ein Druckdialog wie bei Photoshop (zumindest unter macOS) auf sich warten, bei dem ich den Druck als relativ farbmetrisch mit Schwarzpunktkompensation anweisen kann. Stattdessen erscheint der gewöhnliche Druckertreiberdialog meines Epson SC-P800. Das Ergebnis ist ein übersättigtes, leicht farbstichiges Bild. Für jemanden wie mich, der auch seine Prints verkauft, ist das ein No-Go.

2. Makros: Auch die Makros stecken im Vergleich zu Photoshop noch in den Kinderschuhen. Es ist schon einiges an Automatisierung möglich, aber so mighty wie Photoshop ist Affinity Photo noch nicht. Beispielsweise lassen sich noch keine Textboxen oder Platzhalter automatisch einfügen (sehr hilfreich bei Signaturen).

 

Das Druckproblem löse ich zurzeit etwas umständlich mit meinem RAW-Entwickler Capture One. Nach der RAW-Entwicklung und erster Bearbeitung gebe ich aus Capture One heraus die Datei als TIFF an Affinity Photo weiter und steige dann in die tiefere Bearbeitung ein. Danach speichere ich die Datei wieder, achte dabei stets darauf, den richtigen Farbraum beizubehalten und gehe zurück zu Capture One. Dort drucke ich das Bild dann wie von mir gewünscht aus. Ein notwendiger Umweg, den ich gerne vermeiden würde, um mögliche Datenverluste zu vermeiden. Aber mal sehen, was die Zukunft so bringt.